Von TIR - Für das Tier im Recht vom 1.9.2020

Abstimmung vom 27. September – TIR empfiehlt die Ablehnung des revidierten Jagdgesetzes!

Das eidgenössische Jagd- und Wildtierschutzgesetz regelt, welche Wildtiere geschützt sind, welche Tierarten gejagt werden dürfen und wann Schonzeiten gelten. Am 27. September stimmt das Volk über das revidierte Jagdgesetz ab. Dieses ist aus Tier- und Artenschutzsicht in vielerlei Hinsicht zu kritisieren. Daher empfiehlt die Stiftung für das Tier im Recht (TIR), den Entwurf von Bundesrat und Parlament, der unter anderem eine deutliche Lockerung des Wolfsschutzes und eine erhebliche Kompetenzverschiebung vom Bund zu den Kantonen beinhaltet, zur Ablehnung.

 

Kernstück der zur Diskussion stehenden Teilrevision des Jagdgesetzes ist die Erleichterung der Bestandesregulierung gewisser geschützter Arten beziehungsweise die grundsätzliche Erhöhung des Jagddrucks. Im Fokus der Bestandesregulierung steht der Wolf. Neu sollen Eingriffe in den Wolfsbestand möglich sein, bevor überhaupt ein konkreter Schaden entstanden ist. Als Hauptargument für die Lockerung des Schutzes von Wölfen wird die von ihnen ausgehende Gefahr für landwirtschaftliche Nutztiere wie auch für den Menschen vorgebracht. Die grösste Gefahr für die Nutztiere geht allerdings nicht vom Wolf aus, sondern vielmehr von der Nachlässigkeit ihrer Halter, die die Tiere nur unzureichend oder gar nicht kontrollieren. Zudem liessen sich die allermeisten Nutztierrisse durch angemessene Schutzmassnahmen, wie etwa den Einsatz von Herdenschutzhunden, verhindern. Gesetzgeberische Massnahmen zum Schutz der Nutztiere auf der Alp sollten also in erster Linie deren Halter in die Pflicht nehmen. Stattdessen sieht die vom Parlament verabschiedete Gesetzesrevision vor, dass der Wolfsbestand bei drohender Gefahr für Nutztiere selbst dann dezimiert werden kann, wenn der betroffene Tierhaltende keinerlei Herdenschutzmassnahmen ergriffen hat.

 

Neben dem Wolf wird im Gesetz auch der Steinbock als regulierbare Art definiert. Andere einheimische Wildtiere wie Biber, Luchs, Bär, Fischotter, Graureiher oder Gänsesäger bleiben zwar weiterhin geschützt. Der Bundesrat erhält mit der Revision jedoch die Kompetenz, diese oder weitere geschützte Arten ebenfalls für regulierbar zu erklären – ohne dass hierfür ein Parlamentsbeschluss oder eine Volksabstimmung erforderlich wäre. Eine solche Regelung ist völlig unverhältnismässig und steht überdies im Widerspruch zur Berner Konvention über den Artenschutz, gemäss der der Abschuss geschützter Tiere nur als letztes Mittel zulässig ist.

 

An der beschlossenen Gesetzesrevision zu kritisieren ist insbesondere auch der Umstand, dass die Kantone befugt sein sollen, neu auch ohne die Zustimmung des Bundesamts für Umwelt (BAFU) Bestandesregulierungsmassnahmen gegenüber den für regulierbar erklärten geschützten Tierarten und die Verkürzung von Schonzeiten zu verfügen.

 

Der Bund gibt dadurch wichtige Kompetenzen aus der Hand, was Raum bietet für Rechtsunsicherheit. Durch die neue Regelung können die Kantone den Wolfsbestand in ihren jeweiligen Gebieten faktisch eigenständig steuern. Wildtiere wie der Wolf kennen allerdings keine Kantonsgrenzen. Die Betonung des Föderalismus ist in diesem Zusammenhang völlig unangebracht.

 

Das Parlament hat es zudem verpasst, Jagdformen ausdrücklich zu verbieten, die dem Tierschutzgesetz zuwiderlaufen, wie dies etwa bei der tierquälerischen Baujagd der Fall ist. Die TIR kritisiert die Baujagd schon seit Jahren. 2012 hat sie in ihrer Schriftenreihe "Schriften zum Tier im Recht" ein Gutachten zur Baujagd unter dem Aspekt des Tierschutz- und Jagdrechts publiziert (Band 10). Darin kommt sie zum Schluss, dass es sich bei dieser Jagdmethode um eine klare Tierquälerei im Sinne des Tierschutzgesetzes handelt.

 

Oberstes Ziel des Jagdgesetzes muss es sein, den Schutz wild lebender Tiere zu stärken – nicht zu schwächen. Die vom Parlament verabschiedete Revision enthält durchaus auch begrüssenswerte Anpassungen. Insgesamt überwiegen allerdings die negativen Aspekte deutlich. Durch die geplanten Änderungen würde in der Gesellschaft die Ansicht gefestigt, Grossraubtiere hätten in der Schweiz keinen Platz. Stattdessen sollte aber vielmehr das Verständnis für Wölfe und andere Wildtiere mit vermehrter Aufklärung und Information der Bevölkerung in Bezug auf die Verhaltensweisen der Tiere sowie hinsichtlich der Vermeidung von Schäden und kritischen Situationen gefördert werden, damit ein Zusammenleben zwischen Menschen und Wildtieren auf die Dauer möglich ist.

 

Aus diesen Gründen unterstützt die TIR die von Pro Natura, WWF Schweiz, BirdLife Schweiz, der Gruppe Wolf Schweiz und Zoo Schweiz ergriffene Nein-Parole zum revidierten Jagdgesetz und empfiehlt, das missratene Jagdgesetz zur Ablehnung.