Aus dem Tages-Anzeiger Magazin vom 23.01.2021

«Katzen sind hübsch, lustig, anmutig – welcher Mensch ist das schon?»

Eine Verhaltenstherapeutin gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen über ein rätselhaftes Tier.

 

«Einen Gruss, Mingo! An dich und an alles, was schön ist und rätselhaft, überflüssig und geschwungen, unergründlich und einsam und ewig getrennt von uns: also an die Katzen», so endet Kurt Tucholskys «Brief an einen Kater». Alle, die je mit einer Katze das Leben geteilt haben, verspüren einen Stich im Herzen, denn besser ist unsere Beziehung zu diesem mysteriösen Fellwesen nie beschrieben worden. Tucholsky war nicht der Einzige, der versuchte, in die Seele seiner Katze zu blicken. Auch Salvador Dalí, Frida Kahlo, Rosa Luxemburg, Haruki Murakami, um nur einige zu nennen, waren besessen von ihren Feliden. Man könnte meinen, Katzen seien das Wappentier des denkenden Menschen. «Das Tier schaut uns an, und wir stehen nackt vor ihm. Und vielleicht fängt das Denken an genau dieser Stelle an», schrieb Jacques Derrida. Aber was denken Katzen? Über uns?

 

Pam Johnson-Bennett ist so etwas wie die Grossmeisterin der Katzenpsyche. Sie arbeitet seit vierzig Jahren als Verhaltenstherapeutin mit Katzen und deren Halter*innen und ist Autorin einer Reihe von Bestsellern («Think Like a Cat», «CatWise»). Sie lebt in Tennessee und nahm sich Zeit, per Zoom die 65 drängendsten Fragen über Katzen zu beantworten.

 

1. Das Magazin: Die häufigsten Gründe, warum Menschen eine Psychotherapie beginnen, sind Angst und Depression. Und bei Katzen?

Pam Johnson-Bennett: Probleme mit dem Katzenklo.

 

2. Aus Therapeutensicht: Wie gross ist der Gap zwischen dem, was wir für das Problem halten, und dem, was wirklich das Problem ist?

Ein Riesenunterschied. Hauptmissverständnis ist die Annahme, die Katze pinkle mit Absicht daneben. Das ist aber nie der Fall. Die Katze kompensiert etwas mit ihrem Verhalten. Unsere Aufgabe ist es, das Verhalten richtig zu deuten und den Mangel zu beheben. Ein Beispiel: Sie zerkratzt das Sofa nicht, um Sie fertigzumachen, sondern weil der Kratzbaum, den Sie ihr hingestellt haben, ihr nicht zusagt.

 

3. Wir sagen: Das ist meine Katze. Richtiger wäre: Ich bin ihr Mensch, oder?

Ja, Katzen haben uns recht im Griff und sind wahnsinnig gut darin, uns zu konditionieren. Ein Beispiel: Sie miauen, wir reagieren. Wenn sie frühmorgens miauen und wir aufstehen, um ihnen Futter zu geben, dann tun sie das, weil sie festgestellt haben: Ah, so funktionieren Menschen – man muss miauen, dann gibts Essen.

 

4. Kann man sie denn überhaupt erziehen? Anders gefragt: Warum können meine Katzen keine Tricks? Ist ihnen das zu blöd, oder sind sie selber zu blöd?

Oh, Sie können ihnen vieles beibringen! Katzen sind lernfähig, der Fehler liegt bei uns, weil wir glauben, sie kämen sozusagen gebrauchsfertig bei uns an, weil sie bereits stubenrein sind. «Sitz» oder «Gib Pfote» – das ist für Katzen nicht schwer zu erlernen, wenn auch vielleicht ein sinnloser Trick. Aber man kann Katzen etwa dazu erziehen, nicht auf den Tisch zu springen, man kann ihnen die Angst vor der Tragetasche nehmen. Die beste Methode ist das Clicker-Training: Man klickt mit einem «Clicker», die Katze schaut auf, und man präsentiert ein Leckerli, das die Katze sofort fressen darf. Diese Übung wird fünf- bis zehnmal am Stück wiederholt. Nach einigen Tagen geht man dazu über, eine gewünschte Handlung – zum Beispiel, dass die Katze vom Tisch springt – mit einem Klick und einem Leckerli zu belohnen.

 

5. Wie der Hund, so das Herrchen, sagt man. Wie ist das bei Ihren Klient*innen?

Eigentlich haben alle Menschen, die zu mir kommen, drei Gemeinsamkeiten. Sie betrachten ihre Katze als vollwertiges Familienmitglied. Sie sind frustriert. Aber sie sind nicht bereit, ihre Katze je aufzugeben.

 

6. Zwei typische Fehler, die wir aus Sicht der Katze machen?

Erstens: sie streicheln, wenn sie gerade nicht will. Zweitens: zu seltenes Spielen. Sie sollten zweimal täglich zehn Minuten mit der Katze spielen. 

 

7. Sind wir für sie nur grosse, nackte, sprechende Katzen?

Ich denke, sie halten uns für etwas dumme Katzen. Es ist für sie vermutlich frustrierend, mit Menschen zusammenzuleben, weil wir ihre superdeutlichen Signale nicht richtig lesen. Nur ein Beispiel: Katzen versuchen unsere Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken, indem sie es anstarren. Wenn sie rausmöchten, starren sie die Tür lange an, damit wir sie öffnen. Wenn sie auch noch miauen oder kratzen müssen, bis wir reagieren, ist das für sie so wie für uns, wenn wir die Kinder zum hundertsten Mal zum Essen rufen.

 

8. Das schönste Schweizer Buch über Katzen hat den Titel «Lieben mich meine Katzen?». Lieben mich meine Katzen?

Ja, aber sie können ihre Gefühle nicht so gut zeigen. Leider vergleichen wir Katzen häufig mit Hunden, die ihre Begeisterung überdeutlich demonstrieren, und übersehen die eher subtilen Signale der Zuneigung von Katzen. Aber sie lieben uns, und sie sind auch imstande, das zu zeigen.

 

9. Wie zeigt eine Katze Zuneigung?

Sie schaut Sie mit halb geschlossenen Augen an und blinzelt, sie schläft in Ihrer Nähe, sie dreht sich vor Ihnen auf den Rücken und zeigt Ihnen den Bauch. Der grösste Liebesbeweis? Head bunting: Sie reibt ihren Kopf an Ihrem.

 

10. Blöde Frage: Warum liebe ich meine Katze?

Ich glaube, Katzen bieten uns einen sehr attraktiven Mix aus Schönheit, Intelligenz und Geheimnis – das gefällt uns ja auch bei Menschen.

 

11. Warum zieht es Katzen immer zu jener Person hin, die sie am heftigsten ignoriert?

Wenn Sie sich sofort auf das Tier stürzen, hat es keine Chance zu erfahren: Wer bist du, Freund oder Feind?, und zieht sich in der Folge lieber zurück. Wenn Sie hingegen Katzen nicht mögen, wenden Sie sich in der Regel von dem Tier ab. Dadurch geben Sie der Katze Zeit, sich Ihnen anzunähern. Die Katze denkt: Ich mag dich, du bist so wie ich.

 

12. Wieso wollen sie zuerst raus beziehungsweise rein, bleiben dann aber auf der Türschwelle stehen?

Sie machen das nicht, um uns wahnsinnig zu machen – auch wenn es uns wahnsinnig macht. Der tiefere Grund, warum sie keine geschlossenen Türen mögen, ist in ihrer Natur verankert: Sie sind Jäger und wollen wissen, was hinter der Tür ist. Sie sagen nicht: Ich will in das andere Zimmer hinein, sie sagen nur: Ich will wissen, was hinter der Tür ist.

 

13. Der tägliche Schlafbedarf von Katzen beläuft sich auf zwölf bis sechzehn Stunden. Wovon sind sie bloss so erschöpft?

Zunächst mal ist es kein Tiefschlaf. Katzen registrieren jedes Geräusch, jeden neuen Duft. Aber sie brauchen viel Ruhe, um Energie für die Jagd zu speichern. Selbst Hauskatzen verbrennen Energie, auch wenn sie nur die Wohnung inspizieren oder spielen.

 

14. Wenn eine Katze immer wieder mal tagelang verschwindet und ihren Besitzer voller Sorge warten lässt – könnte es sein, dass sie ein Doppelleben führt und sich bei jemand anderem verwöhnen lässt?

Katzen sind Wildtiere. Nicht kastrierte Tiere sind ständig auf der Suche nach Paarungsmöglichkeiten. Aber auch kastrierte Tiere sind draussen immer entweder auf der Pirsch oder auf der Flucht. Sie suchen jedoch nicht andere Halter, sie wissen, wo sie zu Hause sind. Aber manchmal haben sie Schwierigkeiten heimzukehren, etwa weil eine andere Katze den Rückweg versperrt.

 

15. Es gibt Geschichten von entlaufenen Katzen, die nach Jahren zu ihrem Halter zurückkehren. Was mag sie antreiben? Heimweh? Reue? Die Aussicht auf einen ruhigen Lebensabend?

Katzen haben einen sehr guten Orientierungssinn, sie sollten immer wieder nach Hause zurückfinden. Warum sie manchmal Jahre fortbleiben und dann zurückkommen, ist eines ihrer vielen Geheimnisse.

 

16. «Halter» – ist das überhaupt das richtige Wort? Oder was wäre passender: Untertan, persönliche Assistentin, Wirtsmensch, nützlicher Idiot, Dosenöffner?

Ich glaube, es ist eine Symbiose. Die Katze gibt uns viel, aber sie braucht uns mehr, als wir glauben. Viele meiner Klienten bezeichnen sich als «Katzeneltern», weil sie die Katze als Familienmitglied ansehen.

 

17. Katzen haben oft verschmust klingende Namen. Müsste man sie nicht eher nach Diktatoren nennen?

Die Bedeutung des Namens ist irrelevant. Wichtig ist, dass Sie ihn nicht wechseln. Oft heisst die Katze erst Milo, dann nennen wir sie Milo das Marshmallow, dann Marshy oder Mr. Mallow und so weiter – die Katze weiss am Ende nicht mehr, wie sie heisst.

 

18. Halt! Stopp! Wissen Katzen, wie sie heissen?

In der Forschung geht man davon aus, dass Katzen nicht die engere Bedeutung ihres Namens verstehen, aber ihn erkennen, wenn er zum Beispiel in Verbindung mit etwas Angenehmem gerufen wird.

 

19. Nun zum Muster manchen Katzenfells: Es liefert doch den Beweis, dass die Natur Humor hat, oder?

Aber verstehen Katzen Spass? Ein weiteres Geheimnis, das Katzen für sich behalten. Ich denke, Katzen müssen einen gewissen Humor und unendlich viel Geduld haben, sonst würden sie nicht mit uns leben.

 

20. Wissen Katzen, wie viel sie uns bedeuten?

Katzen haben wie die meisten Tiere – es gibt Ausnahmen, etwa manche Vögel, Elefanten, Menschenaffen, Delfine – kein Ich-Konzept, aber sie haben ein feines Gespür dafür, wer ihnen wohlgesinnt ist. Um Ihre Frage zu beantworten: Natürlich wissen sie, wie viel sie uns bedeuten, und sie nutzen es aus.

 

21. Manchmal frage ich mich, warum ich so lange nichts von den Katzen gehört habe. Ich schaue auf mein Telefon, in Erwartung, dass sie mir eine Whatsapp-Nachricht schicken. Dann denke ich: «Du Idiot,sie können dir ja nicht schreiben!» Und doch bin ich ein wenig verwundert, dass sie es nicht tun.

Hahaha. Wie war die Frage?

 

22. Würden meine Katzen mir zurückschreiben, wenn sie könnten?

Ich denke ja. Aber vielleicht nicht sofort – erst wenn sie was wollen.

 

23. Ist eine Katze eher Republikanerin oder Demokratin?

Auf jeden Fall stockkonservativ. Sie will, dass alles so bleibt, wie es ist – nur so fühlt sie sich sicher. Jede kleinste Veränderung erlebt sie als Irritation. Ein neuer Duft, ein verschobenes Sofa oder, Gott bewahre, ein neuer Mitbewohner – so etwas wird ihr schnell zu viel.

 

24. Denkt sie, die Wohnung gehört ihr – oder was?

Klar. Es riecht ja auch überall nach ihr. Aber sie erlaubt es Ihnen, die Wohnung mitzubenutzen.

 

25. Wie sähe eine von meinen Katzen eingerichtete Wohnung aus?

Liegeplätze in der Höhe zum Schlafen und um den Überblick zu behalten, viele Höhlen zum Verstecken und eine Menge Käferchen zur Unterhaltung.

 

26. Ein Sprichwort lautet: «Ein Hund ist dir im Sturme treu, ein Mensch nicht mal im Winde.» Bis zu welcher Wetterlage hält einem eine Katze die Treue?

Es ist das alte Problem, dass wir zwei komplett verschiedene Tiergattungen vergleichen. Ein Hund schaut dir ins Gesicht, wenn er sich freut. Eine Katze zeigt ihr Vertrauen, indem sie dir den Rücken zukehrt. Sie sagt damit: Ich vertraue dir, dass du mich nicht anfällst. Wir halten Katzen für autonom, arrogant, distanziert – falsch! Sie sind nichts davon.

 

27. Es heisst, Hunde seien intelligenter als Katzen. Aber sie können sich nicht mal selber putzen ...

Hunde haben mehr Neuronen und Nervenbahnen als Katzen. Und je mehr Nerven miteinander verknüpft sind, desto besser, heisst es, seien die Voraussetzungen für kognitive Fähigkeiten. Ob Hunde deshalb intelligenter sind, ist schwer zu beantworten. Hunde haben, wie erwähnt, eine hohe Lernfähigkeit, Katzen wissen besser, was sie brauchen. Wer von uns hat nicht die Katze für ihre Gabe bewundert, alles zu ignorieren und sich stattdessen einfach in die Sonne zu legen?

 

28. Also sind Katzen intelligenter?

Ist es intelligent, wenn ich komme, weil ich gerufen werden, oder ist es intelligent, wenn ich nicht komme? Wir projizieren das, was wir unter Intelligenz verstehen, auf das Tier. Das ist der eigentliche Fehler.

 

29. Blicken Katzen auf Hunde herab?

Sie sprechen verschiedene Sprachen. Hunde spielen, indem sie einander jagen. Katzen würden das nie tun. Gejagt zu werden bedeutet für sie Todesangst. Wenn wir das Gefühl haben, dass Katzen Hunden überlegen sind, dann stimmt das insofern, als dass der Hund sich der Katze anpassen muss, nie umgekehrt.

 

30. Der Hund muss so viele Jobs machen, um sein Image als hilfsbereiter, loyaler Typ aufrechtzuerhalten: Schlittenhund, Lawinenhund, Blindenhund, Hirtenhund. Warum müssen Katzen nicht arbeiten?

Der Job der Katzen war ursprünglich die Jagd. Wir haben sie ja historisch in unser Haus geholt, damit sie Mäuse und Ratten jagen, und dann festgestellt, dass sie auch noch wundervolle Mitbewohner sind.

 

31. Welche Jobs könnten Katzen denn übernehmen, wenn sie wollten?

Vielleicht Psychologin?

 

32. Hunde sind leicht zu begeistern, um die Gunst einer Katze muss man kämpfen. Und selbst wenn man ihre Liebe für einen kurzen Moment zu erhalten glaubt, wird man das Gefühl nie ganz los, etwas falsch zu machen – gibts eine Erklärung?

Der Hund ist glücklich, wenn er bei Ihnen ist. Wenn Sie ohne ihn ins Restaurant gehen, ist er traurig. Eine Katze würde eher sagen: Geh du ruhig, ich bleibe hier. Sie sucht schon unsere Nähe, hat aber auch eigene Interessen. Katzen lassen sich leicht ablenken, finden schnell etwas anderes – einen Duft, ein Geräusch, eine Bewegung –, das interessanter ist als unser Schoss. Wir dürfen nicht vergessen: In der Wildnis geht eine Katze im Schnitt zwölfmal pro Tag auf die Jagd. Und diesen Instinkt hat auch eine Hauskatze, sie hört etwas und springt auf.

 

33. Warum mögen sich nicht alle Katzen?

Katzen sind eher Einzelgänger, was mit ihrem Territorialverhalten zu tun hat. Aber sie entwickeln Freundschaften, sobald sie sich sicher sind, dass ihre Futterstellen und Rückzugsorte nicht bedroht werden. Wer je zwei Katzen zusammengerollt in dieser Yin-Yang-Position gesehen hat, weiss, dass sie vielleicht wählerische, aber nicht kaltherzige Tiere sind.

 

34. Freuen Katzen sich eigentlich oder eher nicht, dass wir wegen Corona jetzt alle zu Hause rumhängen?

Sie haben sich dran gewöhnt, dass wir öfter da sind. Schwierig wird es, wenn wir hoffentlich irgendwann wieder das Haus verlassen und zur Arbeit gehen. Wie bereits erwähnt, Katzen hassen Veränderung. Noch eine andere Folge von Corona: So wie Menschen haben auch Katzen während des Lockdowns zugenommen, weil sie öfter gefüttert werden. Meine Empfehlung: Versuchen Sie die Rhythmen, die Sie vorher hatten, beizubehalten. Tut auch uns gut.

 

35. Für die alten Ägypter war die Katze heilig. Im Mittelalter war sie als Hexentier gefürchtet. Wieso diese unterschiedliche Auffassung?

Katzen schützten im alten Ägypten das Getreide vor Mäusen und Ratten, weshalb man sie achtete. Mit der Zeit begann man sie aufgrund ihres angenehmen Wesens und anmutigen Äusseren auch als Hausgast zu verehren. Im Mittelalter galt die Katze als verschlagen, faul, hinterhältig. Katzen wurden mit vermeintlichen Hexen gefoltert oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Es ist traurig, dass es bis heute noch den Aberglauben gibt, schwarze Katzen brächten Unglück.

 

36. Im 19. Jahrhundert wurden viele Tausende Katzenmumien von Ägypten nach Liverpool gebracht und zu Dünger für die umliegenden Bauernhöfe verarbeitet. Hat der Fluch des Tut-anch-miau die Grabschänder getroffen – wissen wir das?

Ich hoffe doch!

 

37. Die Katze streicht an meinen Beinen entlang, aber auch am Stuhlbein – warum diese Beliebigkeit?

Katzen streichen an Objekten entlang, um ihren Duft zu hinterlassen und so ihr Revier zu markieren. Wenn sie sich an uns reiben, vermischen sie unseren Duft mit ihrem, ein soziales Bonding-Verhalten, das signalisiert: Wir sind eine Familie.

 

38. Manchmal, wenn ich meine Katze streicheln will, drückt sie ihren Rücken durch, so lästig scheint ihr die Berührung. Drei Sekunden später stupst sie ihr Gesicht an meines. Was denn jetzt?

Vermutlich haben Sie nicht genau auf die Signale der Katze geachtet. Grundregel mit Katzen ist: Wenn sie gestreichelt werden wollen, kommen sie auf uns zu. Katzen machen gern den ersten Schritt.

 

39. Wenn sie sich das Fell lecken genau an der Stelle, an der man sie gestreichelt hat, ist dasselbe, als würde ich mir die Zähne putzen, nachdem meine Frau mich geküsst hat?

Könnte man meinen, aber oft geht es darum, dass an unseren Händen noch ein anderer Duft war – Handlotion, Seife, Essen – und die Katze sicherstellen will, dass ihr eigener Duft wieder auf ihrem Körper ist.

 

40. Wenn ich noch die Mütze aufhabe, wenn ich in die Wohnung komme, starrt mich der Kater entgeistert an. Ist er blöd oder was?

Nun, Sie sehen ja auch sehr anders aus als sonst. Manchmal assoziieren die Tiere aber Mütze, Mantel oder auch Autoschlüssel mit der gefürchteten Reise zum Tierarzt. Sie sind sehr aufmerksam.

 

41. Warum trinken sie manchmal, und manchmal dippen sie bloss ihre Pfote ins Wasser und lecken sie ab?

Bei manchen ist das nur ein Spleen. Aber prinzipiell mögen Katzen es nicht, den Kopf tief zu haben, da sie dann ihre Umgebung nicht sehen und daher in Gefahr sind. Also tauchen sie die Pfote ins Wasser und lecken sie – so können sie den Kopf oben halten. Wenn Ihre Katze das macht, achten Sie darauf, dass das Wasser im Behälter immer randhoch steht – dann braucht sie den Kopf nicht so tief zu senken.

 

42. Lege ich ein A4-Papier auf den Boden, legt die Katze sich drauf. Warum?

Es gibt viele Theorien dazu, eine endgültige Antwort steht noch aus. Ich favorisiere diese: Es ist eine neue, andersartige Oberfläche, und die Katze will sie für sich «erobern».

 

43. Und warum legt sie sich auf meine Laptop-Tastatur, wenn ich arbeiten muss?

Katzen haben ein sehr feines Gespür dafür, wenn unsere Konzentration etwas anderem gilt als ihnen, und eine sehr martialische Fähigkeit, diese Konzentration zu brechen.

 

44. Würden Katzen Whiskas kaufen?

Vermutlich schon. Hauskatzen sind wie Kinder: Sie essen das, was gut schmeckt, nicht das, was gesund ist. Anders verhält es sich bei Wildkatzen: Eine Maus ist eine perfekte, ausgewogene, nahrhafte Mahlzeit. Die Wildkatze versteht das intuitiv.

 

45. Es heisst, die ersten drei Monate soll das Kätzchen bei der Mutter bleiben. Was passiert, wenn wir sie grossziehen, quasi «Dschungelbuch reversed»?

Davon würde ich unbedingt abraten. Katzen lernen lebenswichtige Dinge von ihrer Mutter und den Geschwistern. Wenn sie ein ausgesetztes Tier aufziehen, sollten Sie erwägen, sich ein zweites zu besorgen – das Kätzchen braucht dringend auch noch anderen Kontakt als den zu Ihnen, es braucht verschiedene Einflüsse, sonst wächst es in einem Vakuum auf und bezieht sich nur auf Sie.

 

46. Wie unglücklich sind Hauskatzen im Vergleich zu Draussenkatzen?

Wilde Katzen ticken völlig anders als Hauskatzen. Ich bin der Ansicht, dass Hauskatzen gar nicht rausgelassen werden sollten, weil das «Draussen» für sie einen zu grossen Stressmoment bedeutet.

 

47. Haben Katzen kein Zeitgefühl, oder warum wecken Sie mich morgens um vier?

Frühe Morgenstunden sind Jagdstunden – diesen Instinkt haben sie halt noch. Eine Lösung: Spielen Sie mit der Katze, kurz bevor Sie zu Bett gehen, und geben Sie ihr eine kleine Belohnung.

 

48. Wie kommunizieren Katzen? Bei meinen habe ich das Gefühl, sie müssen einander nur anschauen.

Richtig, Katzen sind eher stille Tiere. Zudem sind Katzen, anders als Herdentiere, nicht darauf angewiesen, über längere Entfernungen zu kommunizieren. Verbaler Austausch in der Katzenwelt beschränkt sich auf Kontaktrufe zwischen Mutter und Kätzchen, auf Drohgebaren wie Fauchen und Laute während der Paarung. Im Alltag sind Duftstoffe und Körpersprache wichtiger: Blicke, Haltung, Schwanz- und Ohrentellung signalisieren, ob eine Katze kämpferisch oder freundlich gesinnt ist. Das typische Miauen findet man nur in der Kommunikation mit Menschen.

 

49. Was genau bedeutet «Miau»?

Es ist die Art der Katze, uns mitzuteilen: Futter bitte! Spiel mit mir! Oder: Tür öffnen!

 

50. Und was bedeutet das Schnurren?

Es kann Verschiedenes bedeuten. Wenn die Augen dazu halb geschlossen sind, ist das ein Zeichen, dass die Katze sich wohlfühlt. Katzen schnurren aber auch, um sich selbst zu beruhigen, vergleichbar mit dem Daumenlutschen bei Kindern. Und man glaubt auch, dass Schnurren den Katzen hilft, ihre Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Die niedrigen Frequenzen verursachen Vibrationen im Körper, die Knochen heilen und Krankheiten kurieren. Das könnte erklären, warum Katzen selbst Verletzungen durch Stürze aus grösserer Höhe überleben und nach Operationen weniger Komplikationen haben als Hunde.

 

51. Korrekte Information, dass das Schnurren einer Katze sich direkt auf unser Hirn überträgt, wodurch sich das jeweils ein wenig erweicht und wir ein wenig den Verstand verlieren, der Katze dummes Zeugs ins Ohr flüstern und das Gesicht in ihren Pelz vergraben?

Ich glaube ja. Das Schnurren macht uns weich. Wenn ich schlecht gelaunt heimkomme, die Katze in meinen Schoss springt und schnurrt, spüre ich, wie Rastlosigkeit und Stress aus meinem Körper verschwinden.

 

52. Wenn eine Katze einem eine Maus vor die Tür legt: Ist das ein Zeichen von Dankbarkeit?

Viele denken das, dabei bringt sie nur die Beute an einen sicheren Ort. Denn die Futteraufnahme ist ein heikler Moment: Katzen fressen in der Regel nicht, wenn sie sich bedroht oder gestresst fühlen. Also bringen sie die Beute in Sicherheit: in Ihre Wohnung.

 

53. Dass Katzen gewisse Dinge heilig sind – schlafen, fressen, gekrault werden –, ist bekannt. Aber ist ihnen auch irgendwas peinlich? 

Nein, Scham ist ein rein menschliches Gefühl. Wenn wir feststellen, dass die Katze wieder auf den Teppich gepinkelt hat, und sie böse ansehen, dann schämt sie sich nicht, sondern sie hat Angst. Wir neigen prinzipiell dazu, Katzen menschliche Eigenschaften zuzuschreiben.

 

54. Kann es sein, dass sie schon mal eine andere Katze gekillt hat, dass sie also, abgesehen von Mäusen und Vögeln, wirklich eine MÖRDERIN ist?

Wenn Katzen ihren Raum verteidigen oder um einen Paarungspartner kämpfen, kann es zu heftigen Verletzungen kommen. Aber sie versuchen eigentlich, Auseinandersetzungen zu vermeiden. Daher auch die Drohgebärden: Katzenbuckel, Fauchen, Lufthiebe.

 

55. Würde meine Katze, wäre sie wesentlich grösser, mich auffressen?

Katzen sind Raubtiere, klar. Aber sie jagen nur Tiere, die sich schlecht wehren können. Wenn Sie eine Katze sehen, die mit einem gleich grossen Tier ringt, dann ist sie nicht die Jägerin, sondern die Gejagte.

 

56. Und umgekehrt: Würde meine Katze mich im Zweifelsfall beschützen?

Hängt von der Katze ab, manche sind sehr protektiv, andere weniger. Grundsätzlich sind Katzen klein, aber auch schlau. Sie würden nie ein grösseres Lebewesen angreifen.

 

57. Katzen spielen mit ihrer Beute, bevor sie sie fressen. Was erkennt eine Verhaltenspsychologin in so einem Gebaren?

Dass wir uns täuschen. Die Katze spielt nicht mit ihrer Beute, es geht um etwas anderes: Das Tier ist nach der Jagd voller Adrenalin, der grausam erscheinende Umgang mit der Beute dient dem Adrenalin-Abbau.

 

58. Wir sagen «Stubentiger», aber ist eine Katze überhaupt mit dem Tiger verwandt?

Tiger und Katze teilen 95 Prozent der Gene. Der Hauptunterschied zwischen beiden besteht darin, dass Raubkatzen Beutetiere reissen und an diesen tagelang fressen, Katzen jagen stets nur eine Mahlzeit.

 

59. Warum sind Katzen wasserscheu? Und stimmt das überhaupt?

Katzen sind sehr reinliche Tiere und verbringen mehrere Stunden mit der täglichen Pflege, für die sie kein Wasser brauchen, weil ihr Speichel eine Art natürliches Deodorant ist. Wird das Fell aber nass, dauert es sehr lange, bis sich der Eigenduft wiederherstellt. Daher die Abneigung gegen Wasser – die haben allerdings nicht alle Katzenarten!

 

60. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Katzenfotos im Internet derart erfolgreich sind? Sind Katzen vielleicht die schöneren Menschen?

Sie sind hübsch, lustig, anmutig – welcher Mensch ist das schon? Wer sieht schon so gut aus im Schlaf? Aber ich warne davor, Katzen für Videos zu missbrauchen, bloss um einen coolen Post machen zu können. Zum Beispiel das Video, das vor ein paar Jahren viral ging, als man Katzen mit einer Gurke erschreckte.

 

61. Interne Frage, die nur Katzenbesitzer was angeht: Die Katze schnüffelt und leckt die Katzenminze, wälzt sich darin, schnurrt, brummt und macht Luftsprünge. Die Wirkung hält etwa zehn Minuten an und verursacht – soweit feststellbar – nicht mal einen Kater. Was ist das für ein Stoff?

Katzenminze enthält ein Öl namens Nepetalactone und hat eine euphorisierende, fast halluzinogene Wirkung auf Katzen, ohne Nebenwirkungen. Ein bisschen wie ein kurzer LSD-Rausch. Nur zwei Warnungen möchte ich aussprechen: Manche Kater reagieren etwas überenthusiastisch, seien Sie bei der Dosierung vorsichtig. Zweitens: Nicht mehr als zweimal die Woche, denn Katzen können immun werden, erwägen Sie, alternativ Silberwein zu verabreichen.

 

62. Katzen sollen bei Depression, Osteoporose, Pubertät, hohem Blutdruck, Zucker eine heilende Wirkung auf Menschen haben – lesen wir zu viel in sie hinein?

Die Studien sind widersprüchlich, man findet immer eine, die das Gegenteil behauptet. Aber wenn ich die Freude sehe, die Katzen Menschen bereiten, besonders Menschen, die einsam sind oder krank, dann ist das schon eine fantastische Medizin.

 

63. Wie gross ist der ökologische Fussabdruck einer Hauskatze?

Das weiss ich ehrlich gesagt nicht. (Bei einer Katze entspricht die Umweltbelastung einer jährlichen Autofahrt von 1400 Kilometer, bei einem Hund rund 21’500 Kilometer. Anmerkung der Redaktion.)

 

64. Nochmals zurück zum Anfang: Wie löst man die Katzenklo-Problematik?

1. Gehen Sie zum Tierarzt, um auszuschliessen, dass ein klinisches Problem vorliegt. 2. Untersuchen Sie das Klo: Ist es sauber? Benutzen zu viele Katzen das gleiche? Steht es an einem für die Katze angenehmen Ort? 3. Wie ist die Stimmung zu Hause? Gibt es viel Streit? Ist die Katze gestresst?

 

65. Letzte Frage: Wie lange vermisst man ein Haustier?

Eine bestimmte Wehmut bleibt immer. Mit Katzen ist es wie mit Beziehungen: Man kann einen Menschen nicht ersetzen. Man kann nur einen neuen kennen lernen. Mir hat dieser Gedanke geholfen: Wenn eine Katze stirbt, gibt sie einer anderen Katze die Möglichkeit, zu mir zu kommen.


Mikael Krogerus ist Redaktor bei «Das Magazin». mikael.krogerus@dasmagazin.ch

Mitarbeit Dirk Gieselmann